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  6. 1. FC Köln - Roter Stern Belgrad: Polizei nimmt „Iwan, den Schrecklichen“ fest

1. FC Köln „Iwan, der Schreckliche“

Kölner Polizei nimmt Europas berüchtigtsten Hooligan fest

Großaufgebot der Polizei - 1. FC Köln gegen Roter Stern Belgrad

Beim ersten Europa-League-Heimspiel des 1. FC Köln seit 25 Jahren wird mit dem Schlimmsten gerechnet. Gegner Roter Stern Belgrad bringt vermutlich rund 5000 Fans mit in die Dom-Stadt, 500 von ihnen sollen gewaltbereit sein.

Quelle: SID

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Vor dem Spiel des 1. FC Köln gegen Roter Stern Belgrad wurden acht mutmaßliche Hooligans in Gewahrsam genommen.
  • Die acht Männer konnten der Belgrader Hooligan-Szene zugeordnet werden und waren auf dem Weg in die Kölner Innenstadt.
  • Einer von ihnen ist der 37-jährige Iwan Bogdanov. Er trägt den Beinamen „Iwan, der Schreckliche“.
Warum das wichtig ist:
Köln trifft am Donnerstagabend am zweiten Spieltag der Europa League auf den serbischen Hauptstadt-Verein.

Iwan Bogdanov präsentiert gern seinen nackten Oberkörper. Er ist seine Visitenkarte. Die linke Brust ziert ein stilisiertes keltisches Kreuz, das Symbol der serbischen Ultra-Nationalisten. Rechts hat er sich eine Handgranate tätowieren lassen. Die Botschaft ist klar. Bogdanov ist kein Chorknabe.

Spätestens seit 2010 ist er auch außerhalb der Fußballszene ein Begriff. Damals sorgte er beim EM-Qualifikationsduell zwischen Italien und Serbien mit seinen Vasallen für einen Spielabbruch. Wegen seiner stattlichen Leibesfülle und seines martialischen Aussehens, bekam er den Beinamen „Iwan, der Schreckliche“, wahlweise auch das „Biest von Genua“.

Nun hat die Polizei in Köln den serbischen Hooligan festgenommen. Der 37-Jährige war zum Europa-League-Spiel zwischen dem 1. FC Köln und dem serbischen Meister Roter Stern Belgrad (Donnerstag, 19.00 Uhr/Sky) angereist. Die Sicherheitskräfte nahmen den berüchtigten Randalierer gemeinsam mit sieben weiteren Hooligans in einem Apartment in der Innenstadt fest. Es handle sich um eine “Präventivmaßnahme“, sagte ein Polizeisprecher. Offenbar wollte Bogdanov die Partie als Bühne für seine Krawallaktivitäten nutzen.

Mob wollte eigenen Torhüter lynchen

Wie damals, in Genua, als Bogdanov mit schwarzer Sturmhaube und weit aufgerissenen Augen auf dem Stadionzaun saß und den rechten Arm eifrig zum faschistischen Gruß reckte. In der anderen Hand hielt er einen Seitenschneider – mit dem Werkzeug hatte er zuvor in aller Ruhe den Fangzaun durchgeschnitten. Nach dem Spielabbruch machte er dann Jagd auf Wladimir Stojkovic, damals serbischer Nationaltorwart.

Ivan Bogdanov 2016 beim Match zwischen dem italienischen Europacup-Vertreter Sassuolo und Roter Stern Belgrad
Iwan Bogdanov 2016 beim Match zwischen dem italienischen Europacup-Vertreter Sassuolo und Roter Stern Belgrad
Quelle: LightRocket via Getty Images/LightRocket

Dessen Vergehen bestand darin, von Roter Stern zum Lokalrivalen Partizan Belgrad gewechselt zu sein, das reichte dem Mob, ihn lynchen zu wollen. Bogdanov wurde später festgenommen, als er im Gepäckfach eines Reisebusses Italien verlassen wollte. Als Rädelsführer der Randale wurde er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. 2013 kam er vorzeitig frei. Seitdem setzte er seine Krawallaktivitäten durch Europa munter fort.

Und könnte dies trotz seiner Festsetzung auch am Donnerstag in Köln tun. Inzwischen ist Bogdanov nämlich schon wieder in Köln unterwegs. Ein Polizeisprecher bestätigte der WELT: „Herr Bogdanov wurde soeben wieder auf freien Fuß gesetzt.“ Am Donnerstagmorgen war er dem Haftrichter vorgeführt worden, dieser sah jedoch keine ausreichenden Gründen für eine weitere Festsetzung. „Zu den Gründen für diese Entscheidung können wir nichts sagen, das liegt alleine im Ermessen des Haftrichters“, so der Polizeisprecher.

Ein Problem mehr für die Polizei, die sich ohnehin mit einem Großaufgebot für das erste Europa-League-Heimspiel des FC seit 25 Jahren rüstet. Mehr als 2300 Beamte sollen mögliche Ausschreitungen rund um die Partie am Donnerstag verhindern. Die serbischen Fans haben bereits angekündigt, vor dem Spiel durch die Innenstadt zu marschieren. Vom zentralen Neumarkt bis zum Stadion soll die Route gehen.

Die Kölner Polizei lässt vorsorglich schon mal Wasserwerfer auffahren. „Ich sage es ganz deutlich: Wir werden Auseinandersetzungen nicht hinnehmen“, so Polizeipräsident Uwe Jacob. Elf Einsatzhundertschaften seien extra für das Risikospiel angefordert worden.

„Breite Mobilisierung“ unter Hooligans

In der Hooliganszene gilt das Duell als Höhepunkt, dem viele bereits seit Wochen entgegenfiebern. Auch die Kölner Fanszene ist bekannt für ihren harten Kern krawallbereiter Anhänger. Unter den Heimfans rechne man mit bis zu 500 Störern, erläuterte Polizei-Einsatzleiter Michael Temme. Bei den „gewaltgeneigten“ Anhängern des FC finde offenbar eine „sehr breite Mobilisierung“ statt.

So sieht das aus, wenn Roter Stern gegen Partizan Belgrad spielt. Das serbische Derby ist ein Hochamt für Hooligans
So sieht das aus, wenn Roter Stern gegen Partizan Belgrad spielt. Das serbische Derby ist ein Hochamt für Hooligans
Quelle: AFP/Getty Images
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Aus Belgrad werden bis zu 5000 Fans erwartet – mehr als die Hälfte davon ohne Ticket. Auch unter ihnen gebe es nach derzeitigen Erkenntnissen bis zu 500 Risikofans. „Das Verhältnis beider Störergruppierungen zueinander wird übereinstimmend – von Belgrad und von uns – als feindschaftlich eingeschätzt“, sagte Temme.

Den Informationsaustausch mit dem Gastverein über seine Anhänger bemängelte die Behörde. „Es macht mich schon nachdenklich, dass bei einem Verein, der sich auf internationaler Bühne bewegt, nicht die erforderlichen Informationen rüberkommen“, sagte Temme. Und es war wohl nicht nur der Verein, der sich wenig kooperativ in Sachen Gewaltfans zeigte. Auch die serbischen Behörden leisteten offenbar kaum Amtshilfe, wie aus Polizeikreisen zu vernehmen war.

Putztruppe serbischer Nationalisten

Es wäre nicht das erste Mal, dass serbische Institutionen nicht allzu sehr an einer Verfolgung notorischer Rowdys interessiert sind. Schon seit Jahrzehnten gibt es im serbischen Fußball enge Verquickungen von kriminellen Hooligans, Vereinen und nationalistischer Regierung.

Fans von Roter Stern Belgrad huldigen dem serbischen Kriegsverbrecher Ratko Mladic
Fans von Roter Stern Belgrad huldigen dem serbischen Kriegsverbrecher Ratko Mladic
Quelle: AFP/Getty Images

Zwar tönt Ministerpräsident Aleksandr Vucic regelmäßig, dass er gegen die radikalen Störenfriede zu Felde ziehen will, doch Experten halten seine Bemühungen für unglaubwürdig. Vielmehr duldeten Serbiens Mächtige die brutalen Schlägertrupps als verlängerten Arm ihrer Politik. Somit wären die Fußballfans eine Art Putztruppe der serbischen Nationalisten.

„Die Regierung spannt die Hooligans für ihre Zwecke ein und gewährt ihnen dafür Schutz vor Strafverfolgung“, sagt etwa Dobrivoje „Dan Tana“ Tanasijevic, der in der Saison 2007/08 Präsident von Roter Stern Belgrad war. Gerade die Fans des Rekordmeisters gelten als neonazistisch, homophob und gewaltaffin. Sie feiern Kriegsverbrecher wie Zeljko Raznatovic (“Arkan“) oder Ratko Mladic als Helden. Vor Gericht auf seine faschistische Geste angesprochen, sagte Bogdanov mal: „Hitlergruß? Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich bin Nationalist. Ich liebe mein Vaterland, Roter Stern und Gott.“

Der 37-Jährige gilt als Führungsfigur der Hooliganszene von Roter Stern. Mit den Fans von Partizan Belgrad, die „Grobari“ (auf Deutsch: Totengräber), sind sie traditionell verfeindet. Das geht so weit, dass prominente Partizan-Anhänger auf offener Straße erschossen werden.

Verbindungen zur Organisierten Kriminalität

„Die Hooligans sind ein Krebsgeschwür“, sagte Tasijevic dem Portal OCCRP, einer auf die Analyse des organisierten Verbrechens spezialisierten Rechercheplattform, „sie sind stärker als der Klub und alle anderen Fans. Und sie müssten eigentlich im Gefängnis sitzen für die ganzen Verbrechen, die sie begangen haben. Aber sie kommen immer davon.“

Wunden lecken nach dem Derby-Clash. Fans von Roter Stern Belgrad müssen medizinisch versorgt werden
Wunden lecken nach dem Derby-Clash. Fans von Roter Stern Belgrad müssen medizinisch versorgt werden
Quelle: AFP/Getty Images
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Hooligangruppen wie die „Ultra Bojs“ aufseiten von Roter Stern Belgrad oder die „Forbidden“ aufseiten von Partizan werden seit Langem in Verbindung mit der organisierten Kriminalität gebracht. Ihre Mitglieder sollen unter anderem im Drogenhandel involviert sein. Warum sie dem Gesetz stets entkommen, obwohl man sie schwerster Straftaten verdächtigt, das erklärte Serbiens Ministerpräsident Vucic so: „Sollen wir denn jedes Mal etwas unternehmen, nur weil ein paar Journalisten danach fragen?“

Kein Wunder, dass einer wie Bogdanov in Italien zwar im Knast saß, ansonsten aber unbehelligt blieb. Nicht mal ein Stadionverbot ereilte den umtriebigen Krawalltouristen. So tauchte er bei Spielen von Roter Stern ebenso auf wie bei Partien der serbischen Nationalelf, etwa in Odessa, Sassuolo oder in Belgrad, wo die Hooligans 2015 erneut für einen Spielabbruch bei der Begegnung zwischen Serbien und Albanien sorgten.

Nun also auch in Köln.

Wenn in Belgrad Derbyzeit ist, gibt es regelmäßig Krawalle zwischen den tief verfeindeten Lokalrivalen
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Quelle: AFP/Getty Images
mit Material von dpa

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