WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Sport
  3. Heide Ecker-Rosendahl: Wie DDR-Trainer mit ihrer Dopingschuld umgehen

Sport Heide Ecker-Rosendahl

Wie DDR-Trainer mit ihrer Dopingschuld umgehen

"Wetten, dass..?" in Erfurt "Wetten, dass..?" in Erfurt
Sie arbeitet für den DOSB: Heide Ecker-Rosendahl
Quelle: dpa-Zentralbild
Heide Ecker-Rosendahl, Doppel-Olympiasiegerin 1972, sitzt in der DOSB-Kommission, die sich mit dopingbelastetem Sportpersonal befasst. Bei WELT ONLINE äußert sich die 62-Jährige zu den Fällen des Biathlon-Bundestrainers Frank Ullrich und des Leichtathletikcoaches Werner Goldmann.

WELT ONLINE: Wie ist die Empfehlung Ihrer Kommission an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nun einzuschätzen, sich mit der Schulderklärung von sechs Leichtathletiktrainern zufrieden zu geben?

Heide Ecker-Rosendahl: Das war uns ein Bedürfnis, so ein Ziel zu erreichen, diesen Schritt zu vollziehen, dass diese Vorgänge abgeschlossen werden können. Aber die Schwierigkeit ist, wenn Zeugen auftreten, die behaupten von einem Trainer, wie nun wieder im Biathlon beim Fall Frank Ullrich, Dopingmittel bekommen zu haben. Wir wissen nicht, ob das stimmt. Selbst wenn wir mit unseren Mitteln nichts nachweisen könnten, würden wir nicht sagen können, dass die Vorwürfe nicht stimmen. Mir wäre lieb, wenn wir feststellen könnten: So war das. Und dann schauen wir nach vorn.

WELT ONLINE: Der Deutsche Skiverband möchte eine eigene Kommission mit der Aufklärung des Falles Ullrich betrauen. Wie sehr darf man sich auf die Ernsthaftigkeit verlassen, wenn man weiß, dass der Generalsekretär des DSV, Thomas Pfüller, als Langlauf- und Biathlon-Trainer selbst in das DDR-System eingebunden war?

Ecker-Rosendahl: Wir werden vom DOSB um Rat gefragt. Wir werden nicht von uns aus aktiv. Die Fachverbände können über den DOSB unseren Rat holen. Wir fangen nicht von uns aus an, Jäger zu werden.

WELT ONLINE: Hätte den betroffenen DDR-Trainern und -Funktionären schon früher die Angst um ihren Job und Ihre Existenz im Falle von vollumfänglichen Geständnissen mit Reue genommen werden müssen?

Ecker-Rosendahl: Ja. Ich verstehe aber auch nicht, wie jemand mit solch einer Belastung, diesem Wissen im Nacken und dieser Angst immer gelebt hat. Das muss fürchterlich sein. Anstatt lieber zu sagen: Das war so. Ich mache heute saubere Arbeit. Wenn einer die eigene Vergangenheit einfach verschwinden lässt, ist es schwierig. Ich glaube aber kaum, dass alles noch mal schwarz auf weiß aufgearbeitet wird. Weder für Ost, noch für West. Im Westen gab es ja das Problem auch.

WELT ONLINE: Warum hat sich ein Lösungsansatz so lange hingezogen?

Ecker-Rosendahl: Weil über Jahre kaum einer aufgemuckt hat. Nun wurde vor den Spielen in Peking von den Trainern diese Ehrenerklärung gefordert, mit Doping nichts zu tun gehabt zu haben. Die hätten einige nicht unterschreiben dürfen. Dadurch ist der Fall des Leichtathletiktrainers Werner Goldmann aufgekommen. Vielleicht sind im Zuge des Falles einige auf die Idee gekommen, frühere Trainer anzuschwärzen. Das ist schon eine komische Situation. Man hatte Anfang 90er schon einmal versucht, eine Lösung zu finden. Mit den Athleten ist das gelungen, mit den Trainern nicht, weil man Sorge hatte, dass jugendliche Sportler gedopt worden sind. Die Situation war früher einfach schwierig, weil im gerade einheitlich gewordenen Land niemand fertig gemacht werden sollte für das System, unter dem er gearbeitet hat. Auch jetzt geht es nicht darum, jemanden fertig zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass diejenigen mit ihrer Schuld umgehen können.

WELT ONLINE: Was besagt die Erklärung der Trainer jetzt?

Anzeige

Ecker-Rosendahl: Es wird klar gesagt, dass die Trainer in das System des Staatsdopings der DDR eingebunden waren.

WELT ONLINE: Wie können Sie sicherstellen, dass Trainer jetzt ohne große Reue das Schriftstück unterschreiben, nur um den Job zu sichern?

Ecker-Rosendahl: Das glaube ich nicht. Die Leichtathleten haben sich alle mit sehr viel Bauchschmerzen und Überlegungen entschlossen, zu unterschreiben. Herr Goldmann unterschreibt die Erklärung meines Wissens nicht. Wer das unterschreibt, gibt deutlich zu, dass er Dopingmaßnahmen im System mitgetragen hat.

WELT ONLINE: Warum schließt Goldmann sich nicht an?

Ecker-Rosendahl: Das weiß ich auch nicht.

WELT ONLINE: Liegt es daran, dass er als Einzelner um seinen Arbeitsplatz fürchtete, während sich die Trainer, die die Erklärung formulieren ließen, in der Gruppe auf vom DOSB formulierte Grundsätze berufen konnten?

Ecker-Rosendahl: Das könnte sein. Warum Goldmann nicht mitmacht, kann ich nur vermuten. Es war uns unerklärlich, warum er die Brücken, die wir ihm gebaut haben, nicht genutzt hat. Die anderen, die sich Kopfschmerzen gemacht haben, nutzen sie von sich aus. Wir haben Goldmann angeboten, eine wohlwollende Empfehlung auszusprechen, wenn er uns ehrlich erzählt, was gewesen ist. Das hat er abgelehnt.

Anzeige

WELT ONLINE: Und er hatte Gelegenheit, mit seinem Anwalt etwaige arbeitsrechtliche Nachteile zu beraten?

Ecker-Rosendahl: Ja, wir haben ihm das mehrmals angeboten. Seine Reaktion war für uns sehr, sehr unwirklich. Wir haben ihn zwei Mal hinausgeschickt, dass er mit seinem Anwalt beraten konnte. Es ging nicht wie im Gerichtssaal zu, es herrschte eine ruhige Atmosphäre. Vielleicht hatte er Angst, dass seine früheren Athleten mit hinein gezogen werden. Dabei waren ja sehr berühmte Leute. Wir haben seine Reaktion nicht verstanden, weil wir ihm auf verschiedenen Wegen dargelegt haben, dass er keine Nachteile hätte. Ich denke, dass es da Druck von anderer Seite gegeben hat. Für uns war das die einzige Erklärung.

WELT ONLINE: Der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestags, Peter Danckert, hat Ihr Verfahren kritisiert: Zwar seien die Kommissionsmitglieder ehrenwert, aber es würden in Hinterzimmern nicht nachvollziehbare Urteile gefällt.

Ecker-Rosendahl: Wir geben dem DOSB eine Empfehlung. Dem Sportausschuss sind wir nicht rechenschaftspflichtig. Der DOSB berichtet weiter. Über unsere Sitzungen gibt es Protokolle. Der Justiziar des DOSB sitzt auch dabei. Öffentlicher lässt sich so etwas kaum seriös machen, weil da ein gewisses Fingerspitzengefühl nötig ist im Umgang. Ich will da nichts verheimlichen. Aber es muss gefiltert werden können, was aus den vertraulichen Aussagen öffentlich gemacht wird.

WELT ONLINE: Wie hilft Ihnen Ihre persönliche Erfahrung in der Leichtathletik?

Ecker-Rosendahl: Ich war vor der großen Dopingzeit aktiv. Das begann ja erst Mitte der 70er, die schlimmste Zeit waren die 80er. Was mir besondere Bauchschmerzen macht, ist, dass es Trainer gab, die in der DDR nicht beim systematischen Doping mitmachen wollten und deswegen nie eine herausragende Position bekleiden durften, obwohl sie gute Arbeit geleistet haben, die aber nach der Wende auch keine Chance bekommen haben, weil sie mit den anderen keine Leiche im Keller hatten.

WELT ONLINE: Könnte die von Ihnen abgesegnete Erklärung grundsätzlich im deutschen Sport Anwendung finden, obwohl sie von Leichtathletiktrainern stammt?

Ecker-Rosendahl: Das denke ich schon. Sie hat die Voraussetzungen, dass auch geprüft wird, was in den letzten 20 Jahren passiert ist. Es hat sich nicht allein mit der Unterschrift erledigt. Ein Herr Springstein wäre nicht mit der Erklärung durchgekommen.

WELT ONLINE: Könnten auch Dopingtrainer aus dem Westen sich anschließen?

Ecker-Rosendahl: Im Westen gab es ja nicht das System. Da wird es auch schwieriger, Nachweise zu finden. Da ist alles in größter Heimlichkeit passiert.

WELT ONLINE: Sehen Sie eine Lösung für den Umgang mit dem systematischen Doping im Radsport, mit belasteten Sportlern wie Jan Ullrich?

Ecker-Rosendahl: Das ist ganz schwierig. Da muss ja schon die Staatsanwaltschaft gefragt werden. Der Sport muss wahrscheinlich auch erst mal 20 Jahre einigermaßen sauber über die Runden kommen, bis neue Leute aufräumen können. Da hat es so viele Fehler und Versäumnisse der Verbände gegeben. Mit Armstrong verhält es sich genauso. Die Fehler können wahrscheinlich nur geheilt werden, in dem die Fahrer öffentlich ignoriert werden. Aber wenn ich sehe, wie Armstrong wieder umworben wird, haben die Medien nicht viel gelernt.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema