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Sport Heide Ecker-Rosendahl

Für den Olympiasieg gab es einen Eierkocher

Heide Rosendahl Heide Rosendahl
Heide Rosendahl, heutige Ecker-Rosendahl, gewann bei den Olympischen Spiele 1972 in München Gold im Weitsprung. Jetzt wurde sie 70 Jahre alt
Quelle: pa/Sven Simon
Heide Ecker-Rosendahl war das Glamourgirl der Sommerspiele 1972. Sie gewann Gold im Weitsprung und holte den Prestige-Sieg mit der Staffel. Der Lohn waren Elektrogeräte und Fleisch-Gutscheine.

Rote-weiße Ringelsöckchen und Nickelbrille waren früher ihr Markenzeichen. So sprang Heide Rosendahl bei den Olympischen Spielen in München als erste Deutsche zu Gold. Außerdem gewann sie Silber im Fünfkampf und sorgte als Schlussläuferin der Sprintstaffel für den Prestigesieg über das favorisierte DDR-Quartett. Die Rheinländerin wurde zum Gesicht des Weltsportfestes, ihr Bekanntheitsgrad lag bei 97 Prozent. Zwei Jahre nach ihren Erfolgen heiratete sie den ehemaligen amerikanischen Basketballspieler John Ecker und trägt seitdem ihren Doppelnamen. An diesem Dienstag feiert sie ihren 70. Geburtstag.

Die Welt: Frau Ecker-Rosendahl, wie weit springen Sie noch?

Heide Ecker-Rosendahl: Kann ich nicht sagen.

Die Welt: Bereits als Siebenjährige sprangen Sie mit 3,71 Meter inoffiziellen Altersklassenweltrekord.

Ecker-Rosendahl: Das ist sehr lange her. Heute springe ich nicht mehr. Das wäre auch dumm, da es einfach zu gefährlich wäre. Wenn man etwas versucht, was man früher mit einer hohen Intensität gemacht hat, geht man mit diesem Gefühl wieder in diese Bewegung. Dabei kann man sich nur verletzen. Ich laufe auch keine Hürden mehr oder versuche schnell zu rennen.

Die Welt: Dabei sehen Sie so aus, als würden Sie nicht nur Gleichaltrige sportlich locker übertrumpfen.

Ecker-Rosendahl: Danke, das höre ich gerne. Dabei mache ich gar nicht mehr so viel. Ein-, zweimal pro Woche bewege ich mich etwas auf dem Stepper, laufe ein bisschen, fahre ein wenig Rad und mache Kräftigungsübungen für Rücken und Bauch. Im Winter bin ich auch immer noch alpin Ski gefahren. Das hat aber nachgelassen. Wenn ich so langsam fahren muss, dass ich daran keinen Spaß mehr habe, höre ich damit endgültig auf.

Olympische Sommerspiele 1972 in Muenchen
Heide Ecker-Rosendahl (l.) sicherte als Schlussläuferin über 4x100 Meter sensational Olympia-Gold für die bundesdeutsche Staffel - vor dem favorisierten DDR-Quartett
Quelle: pa/Sven Simon

Die Welt: Auch Sie werden langsam älter …

Ecker-Rosendahl: Das lässt sich nicht vermeiden.

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Die Welt: Haben Sie ein Problem damit?

Ecker-Rosendahl: Ich bin immer ein sehr impulsiver Typ gewesen. Da mache ich mir schon Gedanken darüber, dass ich jetzt nicht mehr alles so schnell erledigen kann wie früher, ich muss mir schon eine gewisse Gelassenheit und Ruhe auferlegen. Vor Kurzem bin ich mit dem Fahrrad gestürzt, obwohl ich es nicht vorhersehen konnte. Es war dunkel, ich bin vom festen Weg in den Sand abgerutscht, dann hat es mich geschmissen. Der Notarzt kam, ich musste genäht werden, hatte aber großes Glück, dass es bei kleineren Blessuren blieb. Sich unkontrolliert irgendwohin zu bewegen war für mich bis dahin ein fremdes Gefühl. Seitdem saß ich auch nicht wieder auf dem Rad.

Die Welt: Freuen Sie sich auf Ihren runden Geburtstag?

Ecker-Rosendahl: Um meinen Geburtstag habe ich mir nie Gedanken gemacht. Ich weiß auch nicht, was auf mich zukommt. Mein Mann hat gesagt, ich soll an dem Tag nur zu Hause sein, das ist alles.

Die Welt: Macht Ihnen die Zahl 70 nicht Angst?

Ecker-Rosendahl: Überhaupt nicht. Als Kind hatte ich Menschen um mich, die 60, 70, 80 Jahre alt waren. So furchtbar alt, wie ich diese Menschen früher empfunden habe, fühle ich mich noch nicht. Sicherlich liegt das auch daran, dass ich bislang wenig mit Krankheiten zu tun hatte. Mir geht’s wirklich gut.

Die Welt: Was haben Sie in Ihrem Leben falsch gemacht?

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Ecker-Rosendahl: Ich weiß es nicht. Hätte ich versuchen sollen, noch sieben Meter zu springen? Hätte ich nach den Spielen in München noch vier Jahre bis Montreal ranhängen sollen? Ich kann das nicht mit ja oder nein beantworten. Ob ich vielleicht mit 25 Jahren zu früh mit dem Leistungssport aufgehört habe? Ich wollte auch gerne eine Familie haben. Doch ich habe mir nicht zugetraut, Familie und Leistungssport unter einen Hut zu bekommen.

Die Welt: Warum?

Ecker-Rosendahl: Als Leistungssportler ist man ein sehr extrovertierter Mensch und obendrein sehr egoistisch. Das muss man auch sein, wenn man seine Ziele verfolgen will. Wir bekamen ja auch noch kein Geld für den Sport. Ich musste meinen Beruf als Dozentin an der Sporthochschule in Köln voll ausüben, nachdem ich 1969 mein Examen gemacht hatte. Da musste man schon sehr gut organisiert sein, um als Sportlerin erfolgreich zu sein. Wenn dann noch die Familie dazugekommen wäre, hätte ich das alles nicht mehr zu meiner Zufriedenheit bewältigen können. Von daher habe ich doch alles richtig gemacht. Klar hätte ich gerne mein zweites Studium in München als Innenarchitektin abgeschlossen. Schließlich war das mein Traumberuf. Doch da mein Mann sein Studium in Amerika zu Ende machen musste, bin ich mit ihm nach Kalifornien gezogen.

Die Welt: Bereuen Sie das?

Ecker-Rosendahl: Überhaupt nicht. Ich bin ohnehin kein Mensch, der bereut. Obwohl es manchmal Situationen gab, wo ich lieber hätte den Mund halten sollen. Wenn ich jemandem wehgetan habe, entschuldige ich mich. In einem zweiten Leben würde ich wahrscheinlich alles noch einmal so machen wie im ersten.

Die Welt: Demnach würden Sie auch wieder reizvolle Angebote aus der Film- und Musikbranche ablehnen, wie jene, die Sie nach Ihren Olympiasiegen bekamen?

Ecker-Rosendahl: Ja. Stellen Sie sich vor, Schauspieler oder Sänger würden plötzlich weitspringen. Da lacht sich doch jeder kaputt.

Die Welt: Lachen Sie gerne?

Ecker-Rosendahl: Ich denke schon. Ich bin ein lebensfroher Mensch.

Die Welt: Und wie geht es Ihnen, wenn Sie an Ihre Sportart denken?

Ecker-Rosendahl: Oh, da vergeht mir das Lachen. Mein Interesse an der Leichtathletik ist rapide zurückgegangen.

Die Welt: Dabei waren Sie einst das Glamourgirl der Leichtathletik. 80.000 Menschen feierten Sie 1972 im Olympiastadion, in dem sonst nur die Stars von Bayern München spielten.

Ecker-Rosendahl: Ich habe noch das Titelbild einer Illustrierten vor Augen, auf dem Beckenbauer, Netzer und ich abgebildet waren. Damals war das normal. Da herrschte noch eine Gleichwertigkeit zwischen den Sportarten. Mittlerweile gibt es bei uns zu 95 Prozent nur noch Fußball, ein bisschen Wintersport und das war es. Den Schwimmern und Turnern geht es ja nicht besser als den Leichtathleten, die froh sein können über die Kontroverse der Harting-Brüder. Dadurch gibt es noch ein bisschen Interesse. Oder wenn da nicht Fabian Hambüchen so erfolgreich gewesen wäre, wüsste keiner, dass es noch Turnen gibt.

Die Welt: Es mangelt eben an Stars.

Ecker-Rosendahl: Das allein ist nicht der Grund. Es fehlt an der wahren, ehrlichen Begeisterung am Sport, die in den letzten Jahren durch viele negative Dinge sehr gelitten hat. Ich würde heute keine Leistungssportlerin mehr sein wollen. Ich habe den Sport nicht gemacht, um damit Geld zu verdienen. Das war nie ein Thema. Es war eben eine völlig andere Zeit. Mir ging es einzig und allein um den Sport, um den Wettkampf, die Freude am Siegen, was mich extrem reizte und mir riesigen Spaß gemacht hat.

Buergerfest Bundespraesident 2015
Seit 1974 ist Heide Ecker-Rosendahl mit dem früheren amerikanischen Basketballspieler John Ecker verheiratet
Quelle: pa/Eventpress/Eventpress Herrmann

Die Welt: Wie wurden Ihre Olympiasiege honoriert?

Ecker-Rosendahl: Mit Elektrogeräten wie Bügeleisen und Eierkocher.

Die Welt: Wie bitte?

Ecker-Rosendahl: Ja, das war so. Prämien durften ja nicht gezahlt werden. Was ich außerdem noch bekam, und zwar schon vor den Olympiasiegen, war monatlich ein Scheck von der Sporthilfe in Höhe von 250 Mark. Dafür durften wir uns beim Metzger Fleisch kaufen.

Die Welt: Heute wären Sie mit Ihren Erfolgen von damals sicherlich eine gemachte Frau?

Ecker-Rosendahl: Darüber denke ich nicht nach. Und wer sagt das? Die Leichtathletik findet heute medial doch gar nicht mehr statt. Sie hat sich so in den Abgrund manövriert durch die Korruptionsgeschichten im Weltverband und durch die Dopingskandale. Das tut mir richtig weh. Früher kannte ich die ersten zehn in den Ranglisten, ob im Sprint, Weitsprung oder Mehrkampf. Heute fragen Sie mich bitte nicht danach. Ich könnte Ihnen nicht mal mehr die aktuelle Nummer eins in den Disziplinen nennen. Leider ist bei den Betrügern nicht die Einsicht da, dass sie sich nicht nur ihre eigenen Beine weghauen. Sie ruinieren damit auch ihre Sportart. Und außerdem bin ich sehr enttäuscht von Thomas Bach.

Die Welt: Weshalb?

Ecker-Rosendahl: Ich kenne ihn schon seit ewigen Zeiten, und er hat es als IOC-Präsident bestimmt nicht einfach. Er denkt auch in eine Richtung, die ich normal schon verstehe, aber ich habe kein Verständnis dafür, wie er diesen Skandal vertreten hat. Kein Russe hätte in Rio starten dürfen. Denen muss mal richtig wehgetan werden, damit sie endlich begreifen, dass sie so nicht weitermachen dürfen. Sie sind offenbar noch immer der Überzeugung wie in den 80er-Jahren in der DDR, der Rest der Welt macht es genauso wie wir, also machen wir es auch so.

Die Welt: Gedopt wurde in der DDR aber auch schon in den 70er-Jahren, trotzdem konnten Sie in München triumphieren?

Ecker-Rosendahl: Das staatlich gesteuerte Doping begann erst mit den Spielen 1976 in Montreal. Davor wurde in der DDR schon experimentiert, aber inwieweit das Auswirkungen auf die Leistungen hatte, kann ich nicht sagen.

Die Welt: Im Rahmen des Fünfkampfes in München sprangen Sie 7,11 Meter – 27 Zentimeter über Ihren Weltrekord. Der Versuch wurde dubioserweise ungültig gegeben. Kann man sieben Meter ohne Doping springen?

Ecker-Rosendahl: Sieben Meter sind für mich immer noch eine Schallmauer. Mit meiner Geschwindigkeit, meiner Sprungkraft und Technik, wenn das alles perfekt ineinandergreift, ist das ganz sicher möglich. Auch einer Heike Drechsler (Olympiasiegerin 1992 und 2000, Bestleistung: 7,48 Meter, d. Red.) traute ich bei ihren Hebelverhältnissen und der Schnelligkeit ohne Doping 7,20 Meter zu. Sieben Meter kann man springen, aber nicht 7,50 Meter.

Die Welt: Sie glauben tatsächlich, dass es bei den Sommerspielen in München in der Leichtathletik sauber zuging, trotz der politischen Brisanz zwischen den beiden deutschen Staaten?

Ecker-Rosendahl: Das weiß ich nicht. Es gab immer welche, die mit irgendwelchen Mitteln etwas probiert haben. Die Amerikaner – und auch bei uns waren nicht immer alle heilig. Doping war und ist ein weltweites Problem. Wann begonnen wurde mit Anabolika und Steroiden zu dopen, kann ich nicht genau sagen. Zu meiner Zeit wurde mit Aufputschmitteln gedopt, wie Ephedrin, was vom Radsport kam.

Die Welt: Haben Sie das mal probiert?

Ecker-Rosendahl: Nie. Ich brauchte keine Aufputschmittel, denn ich sah überhaupt keinen Sinn, noch aufgeregter zu sein. Ich war schon von Hause aus immer ein sehr quirliges Mädchen.

Die Welt: Welche Träume möchten Sie sich jetzt, da Sie 70 werden, noch verwirklichen?

Ecker-Rosendahl: Ich bin ein Mensch, der gerne viel Zeit mit der Familie verbringt. Und dann wünsche ich mir eine Reise mit meinem Mann nach Spitzbergen. Ich wollte schon immer mal hoch an den Polarkreis. Die Eisberge, die Faszination der völlig anders gearteten Natur reizen mich extrem.

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