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ICONIST Nadja Auermann, 40

„Wir waren früher naiver, aber auch wilder“

Nadja Auermann ist auch mit Anfang 40 noch als Model tätig Nadja Auermann ist auch mit Anfang 40 noch als Model tätig
Nadja Auermann ist auch mit Anfang 40 noch als Model tätig
Quelle: WireImage
Die Ikone der 90er-Jahre ist mittlerweile vierfache Mutter und modelt noch immer. Ihr Business empfindet sie als Traumwelt, von der Nadja Auermann regelmäßig Pause braucht – bei ihrer Familie.

ICON: Frau Auermann, starke Frauen sind gerade sehr in Mode. Joan Didion macht Werbung für Céline, Karl Lagerfeld ließ die Models bei Chanel für mehr Gleichberechtigung demonstrieren, Madonna wirbt für Versace und auch Sie sind wieder häufiger in Magazinen zu sehen...

Nadja Auermann: ...was daran liegen könnte, dass ich wieder arbeite. Zwischenzeitlich war Modeln bei mir ja eher schwierig, ich habe vor zwei Jahren noch ein Kind bekommen, da ist die Taille nicht so, sagen wir: ideal. Danach will man auch ein bisschen Zeit mit dem Kind verbringen.

ICON: Und jetzt?

Auermann: Habe ich das Gefühl, dass es wieder gut ist zu arbeiten. Für einen selbst, aber auch für die Familie. Ich finde es schön, wenn beide Eltern arbeiten. Das ist jedenfalls meine Meinung. Aber es ist ja nicht selbstverständlich, mit Anfang 40 noch als Model aktiv zu sein. Nur wenige Kolleginnen wie Claudia Schiffer, Naomi Campbell oder Linda Evangelista sind ebenfalls noch im Geschäft.

ICON: Woran liegt das?

Auermann: Wir hatten das Glück, in einer Zeit arbeiten zu dürfen, wo man gerne Models mit Persönlichkeit nahm. In den Neunzigern war doch kein Mädchen wie das andere. Linda, Cindy, Claudia – jede stand für sich selbst.

ICON: Sie waren die coole, selbstbewusste Nadja.

Auermann: Der Helmut Newton-Stil, das passte zu mir. Kürzlich wurde ich für die deutsche „Vogue“ fotografiert. Als ich am Set ankam, dachte ich noch: „Oh, gar nicht so viel Stoff...“ Aber am Ende sind das sehr sinnliche Bilder geworden. Und obwohl wir viel Haut zeigen, ist die Geschichte – jedenfalls in meinen Augen – überhaupt nicht vulgär. Man sieht eine starke Frau, die sexy ist, aber trotzdem alle Fäden in der Hand hält. Es ist eben nicht das kleine Mädchen, kein Opfer, nicht die schwache Frau. Ein guter Kontrast zu dem, was ich zuletzt häufig in der Mode gesehen habe.

ICON: Sie waren Stargast im Publikum bei der großen Modeschau von Mango in Barcelona. Alle schauten wieder auf ihre endlos langen Beine in der ersten Reihe. Würden Sie auch noch einmal auf den Laufsteg gehen?

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Auermann: Kommt auf die Umstände an. Ausschließen will ich das nicht.

ICON: Sie sind auch selbstbewusst genug, Fotografen ganz nah an Ihre Lachfältchen heranzulassen. Das machen weder Models noch die meisten anderen Frauen Ihres Alters.

Auermann: Ich habe kürzlich auch wieder mit Peter Lindbergh gearbeitet, der kaum retuschiert. Aber es kommt immer auf den Stil des Fotografen an. Wie viel hinterher bearbeitet wird, ist ein Stilmittel, das man als Model nicht wählt. Es wird auch bei 17-Jährigen teilweise retuschiert, weil das zur Ästhetik unserer Zeit gehört. Die Bilder zeigen eine Traumwelt.

ICON: Sie wurden im Jahr 1994 bekannt. Wie war das damals?

Auermann: Genauso, da wurde zwar weniger retuschiert, aber viel mit Make-up gemacht, das ist ja auch nicht wirklich realistisch. Da ging es genauso darum, Träume abzubilden. Wenn wir alles ganz realistisch haben wollten, müssten wir alle im Kartoffelsack durch die Gegend hüpfen. Wir sind doch in diesem Geschäft, um alles überdimensional schön zu machen.

ICON: Wie hat sich die Modebranche im Vergleich zu Ihren Anfängen verändert?

Auermann: Ein Unterschied ist sicher, dass wir früher noch ein bisschen naiver waren, dafür aber auch wilder. Alles war noch nicht so durchkommerzialisiert. Wir sind in Sachen über den Laufsteg spaziert, die zu einem Großteil nie produziert wurden, weil kein Mensch sie hätte tragen wollen. Eine Modeschau war eher ein Happening. Heute habe ich den Eindruck, dass es mehr um Verkaufszahlen geht. Es werden also eher Sachen gezeigt, die sich hinterher gut verkaufen lassen, und das ist ja auch in Ordnung.

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ICON: Viele der aktuellen Topmodels teilen ihr halbes Leben auf Instagram. Könnten Sie das?

Auermann: Das finde ich ganz schwierig. Ich bin froh, dass ich nicht heute Model bin. Andererseits, wenn ich jetzt 19 wäre, würde ich das wahrscheinlich ganz anders sehen und könnte ohne mein Instagram, Whatsapp oder was auch immer nicht glücklich sein. Aber wer weiß. Selbst Karl Lagerfeld hat vor ein paar Jahren entschieden, sich doch einmal ein Handy zuzulegen.

ICON: Karl Lagerfeld nannte Sie die neue Marlene Dietrich. Nicht nur Ihrer Ähnlichkeit wegen, Sie sollen auch immer frei heraus gesagt haben, was Sie denken.

Auermann: Na ja, vielleicht nicht immer. Ein bisschen diplomatisch bin ich schon auch. Aber ich glaube, in den Neunzigern war es eher ein Plus, eine Meinung zu haben. Ich weiß nicht, wie es heute ist, ob man als Model sagt, was man denkt, oder besser nicht. Bei dieser Caren, nein Carla Dele, Dele – wie heißt sie? Ich kann den Namen nicht aussprechen.

ICON: ...Cara Delevingne...

Auermann: Genau, bei ihr habe ich zum Beispiel das Gefühl, dass sie auch ein starker Charakter ist, ein bisschen frech, unangepasst. Da kann ich gut verstehen, dass Karl sie so toll findet. Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt typisch für die Branche dieser Tage.

ICON: Sie haben damals auch selbst entschieden, sich die Haare von Mittel- in helles Platinblond zu färben. Danach ging es mit der Karriere steil nach oben.

Auermann: Mit langen Haaren bis über die Brust habe ich auch schon viel gearbeitet. Aber ich fand plötzlich, die Fotografen machten mich immer gleich. Dabei bin ich doch in diesem Business, weil ich Mode liebe, die Transformation, die Veränderung! Ich wollte sie herausfordern, dass sie mich anders sehen und anders darstellen können. Abschneiden wollte ich meine Haare damals noch nicht, also dachte ich: warum nicht Weißblond? So sah ich als Kind aus und mochte das immer.

ICON: Mittlerweile haben Sie selbst vier Kinder – welche Werte geben Sie ihnen mit? Sollen sie auch einmal so selbstbewusste Charaktere werden wie ihre Mutter?

Auermann: Auf jeden Fall. Aber noch wichtiger ist mir Respekt. Das Eine hat meiner Meinung nach mit dem Anderen zu tun. Wenn man sich selbst liebt, kann man auch die anderen Menschen besser respektieren.

ICON: Ihr erstes Kind haben sie 1997 bekommen, auf der Höhe Ihres Erfolgs. Haben da nicht viele gesagt: „Bist du verrückt? Danach ist alles vorbei!“

Auermann: Darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Mir war es damals auch egal, ob meine Karriere weitergeht. Ich hatte alles erreicht, was ich mir erträumt hatte. Wenn es danach vorbei gewesen wäre – für mich vollkommen in Ordnung.

ICON: Schauspielerei war für Sie auch einmal ein Thema. 2004 spielten Sie in dem Fernsehfilm „Dornröschens leiser Tod.“ Das verfolgen Sie nicht weiter, oder?

Auermann: Tja, du musst gute Angebote bekommen, da ist man ein bisschen ausgeliefert. Aber hey – wenn ein super Drehbuch kommt, überlege ich es mir noch mal.

ICON: Angeblich wollten Sie auch einmal Therapeutin werden.

Auermann: Ja, ich habe vor ein paar Jahren angefangen, Psychologie zu studieren.

ICON: Mit vier Kindern, Anfang 40...

Auermann: Deshalb habe ich auch nicht fertig studiert. Ich habe Respekt vor Frauen, die Kinder haben, Karriere machen, studieren und das alles verbinden. Ich habe das nicht geschafft und dann entschieden, dass es so wie es jetzt läuft, eigentlich sehr in Ordnung ist.

ICON: Sie leben fernab des Modezirkus in Dresden. Heute der große Auftritt in Barcelona, morgen wieder im Einfamilienhaus in Dresden?

Auermann: Das würde für mich gar nicht mehr anders gehen. Diese Woche lief fast wieder wie früher, alles war durchgetaktet, erst Paris, kurz zurück nach Dresden, dann nach Barcelona. Danach brauche ich erst mal wieder Zeit mit meiner Familie. Für mich ist die Balance zwischen Aufregung und Entspannung, zwischen Arbeit und Familie, das Geheimnis des Glücklichseins. Zu viel von allem ist nicht gut.

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