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Filmstar und vierfache Mutter Maria Simon: Zwischen „Polizeiruf“, Punk und Kindern

Von Joachim Schmitz | 11.01.2014, 01:30 Uhr

Schauspielerin Simon führt ein ausgefülltes Leben - zwischen ihren Film wie dem „Polizeiruf“, dem Punkrock und ihren vier Kindern.

Sie ist eine Schauspielerin, die nicht viel reden muss, um viel auszudrücken: Maria Simon hat den „Polizeiruf“ aus Brandenburg zu einem Klassekrimi gemacht und hebt einen ARD-Freitagsfilm wie „Der Geruch von Erde“ (17. Januar 20.15 Uhr) mühelos aus dem grauen Einerlei. Doch das ist längst noch nicht alles – die 37-Jährige ist auch noch vierfache Mutter, Punkrockerin und Umweltaktivistin. Über ihr ausgefülltes Leben sprechen wir in einem Gasthaus in Berlin-Pankow, wo die Schauspielerin zusammen mit ihrem Ehemann und Kollegen Bernd Michael Lade lebt.

Frau... wie spreche ich Sie eigentlich an? Maria Simon oder Maria Lade?

Maria Simon ist noch mein Künstlername, der klingt ja auch gut. Maria Lade bin ich auf dem Papier, und so fühle ich mich eigentlich auch.

Sie sind ja auch schon ein paar Jahre verheiratet.

Neun oder zehn Jahre, ganz genau weiß ich das gar nicht. Wir feiern auch keine Jahrestage, sondern eher, dass wir es nicht wissen.

Ende letzten Jahres wollten Sie lernen, unpünktlich zu sein – das hat heute nicht geklappt.

Na ja, ich war zwei Minuten zu spät. Aber das ist ja der Trick: Wenn ich mir keinen Druck mache, kann ich darauf vertrauen, dass ich pünktlich bin. Den Stress, der mit diesem vorauseilenden Gehorsam verbunden ist, versuche ich abzuarbeiten.

Sie wollten auch lernen, Nein zu sagen.

Ja, freundlich Nein zu sagen. Ich möchte empathisch meine Bedürfnisse zum Ausdruck bringen – anschließend kann man ja darüber reden. Es ist ein langer Weg, überhaupt seine Bedürfnisse kennenzulernen. Aber es ist spannend und wichtig, alte Strukturen müssen aufgebrochen werden, weil sie längerfristig keine Lösungen bieten.

Apropos Lösungen: Sie haben vier Kinder und sind erfolgreich im Beruf.

Und Sie wollen jetzt wissen, wie ich das schaffe (lacht).

Genau, ich stelle mir das ziemlich anstrengend vor.

Es geht, und zwar mit einer guten Familienstruktur und der richtigen Einstellung. Ich kann mich ja nicht ständig hinstellen und sagen: Ist das anstrengend. Bei uns passen die Großen auf die Kleineren auf, und ab und zu kommen die Oma und der Opa. Außerdem habe ich versucht, mir jede Form von schlechtem Gewissen abzugewöhnen und mir eben nicht jedes Mal, wenn ich arbeite, zu sagen, ich sei eine schlechte Mutter. Alles, was mich unter Druck setzt, versuche ich rauszunehmen. Und wenn’s nicht anders geht, nehme ich meine zweijährige Tochter auch mal mit zur Arbeit, so wie beim letzten „Polizeiruf“, den wir gedreht haben. Das macht die Kleine auch mit.

Familie und Beruf sind ja noch nicht alles – Sie machen auch noch Musik und haben zusammen mit Ihrem Mann Bernd Michael Lade eine Punkband: Ret Marut.

Bernd war ja schon zu DDR-Zeiten Punk und hat Bands gehabt. Daran knüpft er als erwachsener Mensch an, es sind seine Werke, die der Rest der Kombo aufnimmt und mit seinem Zeug anreichert.

Sie spielen aber nicht nur für den Hausgebrauch, oder?

Nein, vor vier Jahren haben wir unsere erste CD rausgebracht, danach gab es auch eine Tour. Für mich war es das erste Mal, und ich muss sagen: Es ist nicht einfach auf so einer Bühne. Im Theater habe ich meinen Text und kann das andere ausschalten, hier muss ich mir was einfallen lassen.

Punk aus Pankow klingt gut – würden Sie sich als Anarchistin bezeichnen?

Ja, denn ich kann nicht alle Regeln von außen, die auch für mich gelten, so einfach als gegeben hinnehmen, sondern werde unruhig, wenn bestimmte Sachen für mich keinen Sinn ergeben. In diesem Sinne empfinde ich mich schon als anarchisch.

Dabei wollten Sie früher mal ganz bürgerlich Kindergärtnerin werden. Warum?

Das war in meiner Jugend ein ganz starker Wunsch, weil ich damals schon einen guten Draht zu kleinen Kindern hatte. Das heißt nicht, dass ich Kinder nicht auch mal anstrengend finde und vor ihnen kapituliere, aber die Beschäftigung mit ihnen finde ich komplett fruchtbar. Irgendwie bin ich ja auch so etwas wie eine Kindergärtnerin geworden, und als Oma wird das alles rund für mich. Dann sind die anderen Verpflichtungen weg, und ich habe den Kindergarten, den ich mir immer gewünscht habe.

Das klingt ganz so, als freuten Sie sich jetzt schon darauf, irgendwann mal Oma zu sein.

Es ist ein großer Traum, und ich wünsche es mir aus tiefstem Herzen, Oma zu werden und meine Enkelkinder um mich herum zu haben. Ich möchte als Oma nicht in der Welt rumreisen, sondern mich mit meinen Enkelkindern beschäftigen. Das ist eigentlich mein ganzes Bestreben – gesund zu sein und zu erleben, dass wir etwas gesät und auf den Weg gebracht haben. Ich möchte nichts ungetan lassen, damit die Welt sich weiterdreht und meine Kinder in Frieden ihre Kinder kriegen können.

Wer wünscht sich das nicht?

Aber das reicht mir noch nicht. Ich würde gern alle Menschen hier in Deutschland an die Hand nehmen und sagen: Los, Leute, jetzt vergesst mal alle Eure Ängste, lasst uns ruhig Fehler machen, lasst uns vergeben, das ist einer der größten Heilungsprozesse. Wir sind alle nur Menschen, Kinder von Kindern. Das vergisst man ja oft: Meine Eltern sind auch nur Kinder von ihren Eltern, die auch mal Kinder waren. Es könnte alles so schön sein, und es ist auch für alle genug da. Die nächste Zeit wird spannend, es könnten so einige Dinge herauskommen – wie wäre es denn, wenn wir plötzlich erfahren, dass doch die ganzen Geheimdienste Nine Eleven inszeniert haben?

Glauben Sie das, sind Sie

etwa Verschwörungstheoretikerin?

Das ist wieder so ein schönes Wort. Aber wenn wir in einer Verschwörung leben, gehört das Wort Verschwörungstheorie dazu. Theorie heißt: Es könnte möglich sein. Wenn ich mir ansehe, was ich über Geschichte weiß, und wenn ich betrachte, was in uralten Dramen geschieht, dann muss ich mich doch fragen: Warum soll der moderne Mensch nicht auch zu all diesen Dingen fähig sein? Es ist doch immer schon mit uns Menschen Schach gespielt worden.

Wie haben Sie eigentlich Ihre eigene Kindheit und Jugend erlebt? Es liest sich zumindest recht aufregend.

Na ja, das hat alles dazu beigetragen, wie ich jetzt denke und bin. Es war tatsächlich sehr aufregend, teilweise auch sehr schmerzvoll – und es gab große Sprünge wie den von Leipzig nach New York.

Als Ihre Eltern nach New York zogen, weil Ihr Vater bei der UNO arbeitete, mussten Sie mit Ihrer Schwester ja als „Pfand“ in der DDR bleiben.

Genau, ich habe, abgesehen von den Ferien, vier Jahre ohne meine Eltern gelebt, davon drei Jahre bei meinen Großeltern. Im Nachhinein glaube ich, dass mich diese Zeit sehr geprägt hat, weil meine Großmutter sehr sozial war und geholfen hat, wo sie nur konnte. Dieses Füreinander und Miteinander hat mich sehr gestärkt.

In den Ferien durften Sie Ihre Eltern besuchen – war das nicht verrückt, nach New York zu fliegen, während die Klassenkameradinnen nicht mal nach Norderney durften?

Es wurde in der Schule kaum darüber gesprochen. Vielleicht hatten die anderen ja Fragen, aber sie haben sie nicht gestellt. Und ich habe nicht darüber gesprochen, weil ich nicht als privilegiert dastehen wollte.

Wie haben Sie New York denn erlebt?

Der Schock war natürlich groß, diese Welt in New York hat mich ziemlich belastet. Ich hatte schon als Kind Antennen für alles, was aus dem Gleichgewicht gerät, und für die Ungleichbehandlung von Menschen. Deshalb waren die Obdachlosen auf der Straße für mich ein echter Schock, ich habe da gestanden und geheult. Das hat mich umgehauen.

Mit 14 sind Sie dann nach New York zu Ihren Eltern gezogen.

Ja, weil es die DDR nicht mehr gab, konnte ich zu ihnen. Ich bin auf die UNO-Schule gegangen, diese Internationalität hat mein Weltbild sehr geöffnet und weit gemacht. Dazu kommt meine Mutter ja auch noch aus Kasachstan. Diese Emotionalität, gepaart mit dem zurückgenommenen und ängstlichen Deutschen und dem selbstbewussten Amerikanischen ist eine coole Mischung. Wobei die Deutschen ja nicht nur ängstlich sind, sondern auch tiefsinnig, hilfsbereit und spiritueller, als sie zugeben wollen.

Letztes Jahr haben Sie mit der ganzen Familie in Österreich ein Seminar für Permakultur gemacht. Erklären Sie mal, was das überhaupt ist.

Ein weites Feld – und vor allem uralt. In Permakultur steckt das Wort permanent, es geht um das Leben und die Natur, die ja permanente Kreisläufe geschaffen hat. Die funktionieren und bedingen einander – Pflanzen bedingen sich, Menschen bedingen sich. Es gibt in der Natur eigentlich keine Monokulturen, dadurch hat die Menschheit ganz viel kaputt gemacht, vor allem Böden und Wälder. Wir nehmen, nehmen, nehmen und geben der Natur nichts mehr zurück.

Deshalb das Seminar?

Ich finde es wichtig, dass meine Kinder lernen, mit welchen Böden und Bäumen sie leben, was sie essen, wo es herkommt und wie man es zubereitet. Sie sollen lernen, unabhängig zu denken und alles zu hinterfragen, und wenn es nur die Wasserspülung am Klo ist. Heute drücken wir auf einen Knopf, und sofort kommt das Wasser – was aber ist, wenn in 20 Jahren das Wasser knapp wird?

Und?

Ich weiß heute, es gibt ein System, in dem die Abwässer über ein Filterbecken ins Schilf kommen und dort wieder umgewandelt werden in brauchbares Wasser.

Maria Simon

wird am 6. Februar 1976 in Leipzig geboren, ihr Vater hatte in Leningrad Mathematik studiert und dort ihre Mutter, eine sowjetische Jüdin aus Kasachstan kennengelernt. Als sie zehn Jahre alt ist, gehen ihr Vater als Computerexperte und UNO-Mitarbeiter und ihre Mutter nach New York – Maria und ihre sieben Jahre ältere Schwester Susanna müssen in der DDR bleiben, und wachsen nach einem kürzeren Aufenthalt im Internat drei Jahre lang bei ihren Großeltern in Leipzig auf. Als 14-Jährige kann sie nach dem Mauerfall zu ihren Eltern in die USA ausreisen, besucht die internationale UNO-Schule in New York und macht dort ihr Abitur.

Maria Simon entscheidet sich gegen ihren ursprünglichen Berufswunsch, Kindergärtnerin zu werden, und lässt sich wie ihre Schwester an der Hochschule Ernst Busch in Berlin als Schauspielerin ausbilden. Noch als Studentin wird sie 1998 Mutter eines Sohnes, dessen Vater der Schauspieler Devid Striesow ist. 1999 macht sie ihr Diplom und spielt in den Jahren darauf Theater in Berlin und Düsseldorf. Gleich mit ihrem ersten Kinofilm „Zornige Küsse“, in dem sie eine 17-Jährige darstellt, die sich in einen Priester verliebt, feiert Maria Simon internationale Erfolge und wird 2000 auf dem Filmfestival Moskau als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Aufmerksamkeit erzielt sie auch als Filmschwester von Daniel Brühl im Kinohit „Goodbye Lenin“ (2003). Immer wieder begeistert sie mit ihrem intensiven Spiel Publikum und Kritiker, der „Spiegel“ nennt sie 2011 „die deutsche Jodie Foster“. Im selben Jahr debütiert sie neben „Dauerbrenner“ Horst Krause als Ermittlerin Olga Lenski im „Polizeiruf 110“ aus Brandenburg (Bild links).

Maria Simon ist mit dem Kollegen Bernd Michael Lade (rechts) verheiratet, den viele Zuschauer als Partner von Peter Sodann aus dem „Tatort“ kennen. Neben der Schauspielerei verbindet die beiden auch die Musik, sie spielen gemeinsam in der von Lade gegründeten Punkband Ret Marut. Das Paar lebt mit drei gemeinsamen Kindern und jeweils einem Sohn aus früheren Beziehungen in einer umgebauten Kirche in Berlin-Pankow. Sie engagiert sich unter anderem in der Bürgerinitiative „Sauberer Himmel“.

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