Unterhaltung

"Das Mädchen Rosemarie" Film-Legende Nadja Tiller ist tot

Nadja Tiller war "dankbar für alles, was passiert ist".

Nadja Tiller war "dankbar für alles, was passiert ist".

(Foto: picture alliance / rtn - radio tele nord)

Der Skandal-Film "Das Mädchen Rosemarie" macht Nadja Tiller 1958 zum Sex-Symbol ihrer Zeit. Eine Rolle, die ihr Weltruhm bringt, die sie aber auch nie ganz abstreifen kann. Zuletzt lebt sie in einer Hamburger Seniorenresidenz. Dort stirbt die Österreicherin im Alter von 93 Jahren.

Als Nadja Tiller als Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt auf der Leinwand die Doppelmoral der Wirtschaftswunderzeit entblößte, war das 1958 ein Skandal - für die Schauspielerin wurde es ihre wichtigste Rolle. "Das Mädchen Rosemarie" lockte Millionen Zuschauer in die Kinos und blieb für immer eng mit der Filmdiva verbunden. Nur der Name ihres Mannes konnte da noch mithalten: Walter Giller und Nadja Tiller waren einst ein Traumpaar des Films. Im Alter von 93 Jahren starb die österreichische Schauspielerin in der Nacht in Hamburg, mehr als elf Jahre nach ihrem Mann.

Tiller als Rosemarie im Jahr 1958.

Tiller als Rosemarie im Jahr 1958.

(Foto: imago images/Everett Collection)

Giller und Tiller blieben bis zum Tod des Komödianten im Dezember 2011 unzertrennlich, auch wenn sie in einer luxuriösen Seniorenresidenz am Hamburger Elbufer getrennte - aber natürlich nebeneinander liegende - Appartements bewohnten. Beim Dreh zur "Schlagerparade" hatte die gebürtige Wienerin ihre große Liebe kennengelernt. Beide wurden privat ein Paar - und für zahlreiche Produktionen auch im Film, etwa in "Schloss Gripsholm".

Ihren großen Auftritt als Rosemarie Nitribitt aber hatte Tiller allein. Platinblond und hochhackig, mondän und verrucht, Vamp und Verführerin - so gab sie die Frankfurter Edelprostituierte, die ein Jahr zuvor ermordet worden war. "Nadja Tiller, das Beste, was damals in Deutschland auf dem Vamp- und Sex-Sektor zur Verfügung stand, spielt zu Recht mit ihren schlanken Beinen, ihren spöttisch vollen Lippen, darf aber sonst, mitten in den fünfziger Jahren, kaum loslegen. Sie ist kalt, ja synthetisch", schrieb der "Spiegel" Jahrzehnte später.

Die Rolle des Luxus-Callgirls war es, die ihr zum großen Durchbruch verhalf. Regisseur Rolf Thiele interessierte nicht die Lebensgeschichte der Nitribitt - sein sozialkritisches Drama lieferte eine Satire auf Wirtschaftswunderzeit und Doppelmoral. Der Film lockte die Zuschauer in Scharen in die Kinos, lief bei den Filmfestspielen von Venedig und gewann in den USA einen Golden Globe. Für Tiller wurde "Rosemarie" zur Rolle ihres Lebens - als umschwärmte Filmdiva gab sie dem Traum vom großen Glamour ein Gesicht.

"Ich war leider nicht klug genug"

Damit spielte sie sich auch auf die Wunschzettel der europäischen Regisseure. Die berühmte Rolle von Anita Ekberg im Trevi-Brunnen in "La Dolce Vita" oder Filme mit Marcello Mastroianni oder Alain Delon - die Angebote waren da. Doch Tiller lehnte ab. "Ich war leider nicht klug genug und zu dumm und habe dann drei sehr berühmte Filme nicht angenommen", sagte Tiller kurz vor ihrem 90. Geburtstag. "Und letztendlich würde ich wahrscheinlich heute genauso hier sitzen - auch, wenn ich einen davon gemacht hätte", war die gebürtige Wienerin überzeugt.

Bevor sie im Kino als kühle Schönheit und verführerisches Luxusgeschöpf begeisterte, war das Theater ihr Zuhause. Mutter Erika Körner war Operettensängerin, Vater Anton Tiller ein Hofschauspieler - der Weg auf die Bühne lag nahe. Ihr erstes Engagement erhielt sie 1949 am Wiener Theater in der Josefstadt. Ihre zweimalige Kür zur "Miss Austria" in jener Zeit war ihrer Karriere an dem biederen Haus allerdings wenig förderlich. So verdiente sich die junge Schöne als Vorführdame im "Hutsalon Susi" nebenher ein Zubrot.

Gleichzeitig bastelte sie an ihrer Filmkarriere und ließ sich auch von einem Fehlstart nicht entmutigen: Ihr kleiner Part in der Beethoven-Biografie "Eroika" von 1949 wurde wegen Überlänge des Werks wieder herausgeschnitten. Unterhaltungsfilme wie "Der Traum vom Glück" an der Seite von O.W. Fischer jedoch brachten ihr Filmerfahrung, bald folgten anspruchsvollere Rollen. In der Liebeskomödie "Sie" fand sie überzeugend ins Rollenfach der Femme fatale und traf auf den späteren "Rosemarie"-Regisseur. Für Thiele war sie auch in "Die Barrings" schön und skrupellos - sie selbst fand den Film für ihre Karriere wichtiger als "Rosemarie".

Genervt vom Vamp-Image

Tiller begeisterte in Filmen wie "Labyrinth der Leidenschaften", "Die Buddenbrooks" und "Lulu". Die Umschwärmte drehte mit Jean Gabin ("Im Mantel der Nacht" bezeichnete sie 2019 als ihren Lieblingsfilm), Curd Jürgens, Yul Brynner, Mario Adorf, Jean-Paul Belmondo. Filmemacher besetzten die Schauspielerin mit der leicht rauchigen Stimme bevorzugt als erotische Dame mit dem gewissen Etwas. Mit frechem Blick zeigte sie viel Bein und Dekolleté für jene Zeit. Etwas, was sie durchaus auch nervte. "Ich musste mich mit Schmuck behängen und benehmen, wie sich - außer im deutschen Film - kein Vamp benimmt", beklagte sie mal.

Als später tolle Kinoangebote ausblieben, wechselte sie Ende der 60er Jahre zögerlich zum Fernsehen und wurde Gast vieler Serien. Am Ende war sie in mehr als 120 Filmen und Serien zu sehen. Besonders stolz war die Wahl-Hamburgerin aber auf einen Auftritt im Musical "Applaus" am Lübecker Theater - weil sie ihrer Meinung nach gar nicht so gut singen konnte. "Da habe ich wirklich sämtliche Kräfte mobilisiert, die ich hatte. Und ich war sehr stolz, dass ich das geschafft hatte", sagte sie 2019. Til Schweiger engagierte Tiller für "Barfuss", für Leander Haußmanns "Dinosaurier - Gegen uns seht ihr alt aus!" standen Tiller und Giller letztmals vor der Kamera.

55 Jahre war das Paar verheiratet. Sein Appartement neben ihrem hatte sie für Gäste behalten. Das Ende ihrer Karriere war das allerdings noch nicht. 2013 gewann sie gemeinsam mit einem Mitbewohner aus ihrer Seniorenresidenz, dem Schweizer Schauspieler Fritz Lichtenhahn, für "Traumrollen" den Deutschen Hörspielpreis. Ihr letzter Auftritt auf der Theaterbühne war 2015 eine kleine Rolle in "My Fair Lady" in Braunschweig, die ihr "großen Spaß" gemacht hat. "Es war eigentlich ein schöner Abschluss", sagte sie dazu. Trotz mehrerer überstandener Krankheiten - Krebs, Schlaganfall, Hörsturz und künstliches Knie und Hüfte - blieb Tiller zufrieden und ausgeglichen. "Ich bin sehr dankbar für alles, was mir passiert ist."

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 21. Februar 2023 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, Dorit Koch und Christiane Bosch, dpa

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